As told to Julian Brimmers, 1610 words.
Tags: Art, Painting, Education, Beginnings, Independence.
David Ostrowski über die Ablehnung des Professionalismus
Deine Großmutter Krystyna Żywulska war Schriftstellerin und Satirikerin, auch deine Eltern sind künstlerisch tätig. Spielt deine Familiengeschichte in deiner Kunst eine Rolle?
Als Kind habe ich mit meiner Großmutter Krystyna ständig um die Wette gemalt - wer kann Dinge schöner malen. Sie hat mich immer gewinnen lassen, was sicherlich früh mein Selbstbewusstsein geprägt hat. Meine Mutter, die Sängerin und Schauspielerin ist, und mein Vater, ein Grafiker und Bildhauer, können auch malen. Weitere Verwandte mütterlicherseits sind ebenfalls aus dem Metier, mein Opa beispielsweise war Architekt, der Urgroßvater Bühnenbildner. Vermutlich war da mein Werdegang als Künstler nicht allzu unwahrscheinlich. Jedoch kenne ich Künstler, deren Väter Metzger sind und die dennoch schönere Bilder malen als ich.
In der MD Bar, die du mit deinem Künstlerkollegen Michail Pirgelis in Köln mitinitiiert hast, steht ein Seinfeld-Zitat an der Wand. Welche Rolle spielt Humor in deiner Arbeit, gerade bei der Betitelung deiner Bilder?
Ohne Humor würde ich meine eigenen Arbeiten gar nicht ertragen. Es gibt kaum eine Arbeit, die nicht auch ironisch gemeint sein könnte, aber eben auch todernst. Ins Atelier gehe ich ja nicht ausschließlich, um Spaß zu haben, vielmehr um die bestmöglichen Arbeiten zu malen, und das erfordert von Mal zu Mal mehr Kraft. Die Titel der Arbeiten sind meistens autobiographisch und haben immer einen Bezug zur Arbeit. Außerdem gebe ich als Ausgleich gerne schwächeren Arbeiten gute Titel. Jede Art von Comedy kann mich amüsieren, es kommt auf die Künstler an und wie sie ihre Pointen setzen.
F (Oben Putz unten Schmutz), 2012, lacquer on canvas, 220 x 160 cm, Courtesy the artist
Du hast an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Albert Oehlen studiert. Was muss eine akademische Kunstausbildung deiner Meinung nach leisten? Was würdest du deinem Erstsemester-Ich aus heutiger Sicht raten?
Ein Kunststudium lässt einem im besten Fall die Möglichkeit, sich künstlerisch auszuprobieren und ist so freigeistig wie möglich, mit Option auf kunsthistorische Bildung. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist auch nicht zu unterschätzen. Allerdings habe ich nie schlechter gemalt, als während meiner gesamten Laufzeit an der Akademie. Aus heutiger Sicht würde ich dem kleinen David raten, noch mehr Bier zu trinken. Heute brauche ich einfach länger, um meinen Köper zu regenerieren.
Zu Beginn deines Studiums hast du noch vornehmlich figurativ gemalt, dich dann aber immer weiter in die Abstraktion bewegt. Wie wurde diese Entwicklung in deinem Umfeld aufgenommen?
Mein Umfeld ist mir ja wohlgesonnen, dennoch empfanden einige meine künstlerische Entwicklung als bedenklich. Tatsächlich könnte der Weg zur Reduktion auch als Rückschritt bezeichnet werden. Fortschritt durch Rückschritt, rein aufs Technische bezogen, gefällt mir gut. Mein Antrieb ist es, etwas Neues zu schaffen, etwas Unverständliches. Das idealistische Ziel, in meiner Malerei neues Terrain zu erkunden, hält die Spannung aufrecht und scheint zugleich unmöglich. Wie kann ich mich bereits existierender Kunst, die ich schätze, bemächtigen und sie zu meiner eigenen Ausdrucksweise mutieren lassen? Welche Rezepte muss man hinzufügen, wie viel kann man klauen und wen muss ich dafür umbringen? Figuration birgt da zu viele Hinweise.
The F Word, ARKEN Museum of Modern Art, Copenhagen, 2015, Courtesy the artist and Sprüth Magers
Wie sah dein Professionalisierungsprozess aus? Als Außenstehender könnte man den Eindruck haben, dass es bei dir sehr schnell sehr ernst wurde.
Dieselben Leute, die damals noch meine Arbeiten verrissen haben, waren Jahre später Kaufinteressenten. Bis heute empfinde ich es so, als hätte ich keinen Professionalisierungsprozess durchlaufen. Und ich hoffe, ich werde auch nie professionell. Seit einiger Zeit befinde ich mich in einer Ruhephase und nehme kaum an Ausstellungen teil. Mit der Kunstwelt selber haben ohnehin nur meine Arbeiten etwas zu tun.
Wie schaffst Du es, nicht zu verkrampfen, wenn Du eine Idee nicht sofort wie erdacht auf die Leinwand bringst?
Im Atelier wende ich Tricks an, die hoffentlich zum Kontrollverlust führen, aber insbesondere versuche ich, loszulassen. Ideen und Konzepte empfinde ich als überbewertet für meine Arbeitsweise, da es vielmehr um den erhofften Zufall geht. Vor einiger Zeit half der Fehler an sich, aber auch bei dieser Herangehensweise verkopft man irgendwann und dann wird auch das zur Routine, was der Sache entgegenwirkt und langweilt. Mit den wenigsten und einfachsten Mitteln möchte ich bei meinen Arbeiten die höchstmögliche Emotion erzeugen. Dabei arbeite ich fast ausschließlich mit gefunden Materialien aus dem Atelier. Je mehr ich dort bin, desto mehr Arbeitsmaterialien häufen sich an. Das Atelier ist mein Rückzugsort. Es ist der Raum in dem ich denken kann, laut Musik höre und zu viel Miete zahle.
Im Bezug auf den Versuch, den größtmöglichen Affekt mit den wenigsten Mitteln zu erreichen, sprichst Du vom Codex des Malers – was macht diese Codices aus?
Für mich stehen diese Mal-Codierungen im Verhältnis zum über die Jahre angeeigneten Wissen über das Medium Malerei und über andere Künstler, und natürlich zur eigenen Erfahrung. Ganz nach dem Prinzip: Je mehr man weiß, desto mehr weiß man aber auch, was man nicht möchte.
Ist ein schönes Bild notwendigerweise ein gelungenes?
Ich würde umgekehrt sagen: ein gelungenes Bild muss nicht gleich schön sein, aber Attraktivität schadet auch nicht. Manchmal benutze ich gefundene Reste aus dem Atelier, klebe oder spanne diese auf die Leinwand, wie zum Beispiel dreckige Baumwolle. Es ist ein Versuch, die Klaviatur von Schönheitsmerkmalen in meinen Bildern abzuarbeiten. Meine Leinwände werden hoffentlich immer schlank wirken und gut duften.
Eine der großen Schwierigkeiten, egal welcher künstlerischen Disziplin, scheint das Beenden einer Arbeit. Wann weißt du, ob ein Bild fertig ist?
Eine Arbeit ist für mich dann beendet, wenn ich nichts mehr zu sagen habe. Meine Bilder sind Vorschläge und ich arbeite in Werkgruppen, um Routine zu vermeiden. Selbstverständlich überprüfe ich jede Arbeit auf Ihre Gültigkeit. Andernfalls wird die Leinwand wieder weggerissen, übermalt oder überklebt.
DONT, Halle9 Kirowwerk, Leipzig, 2017, Courtesy the artist and Sprüth Magers
Wie schwierig fällt es dir, deine eigene Qualitätskontrolle zu sein? Gibt es Leute in deinem Umfeld, die dir bei der Einschätzung deiner Werke helfen?
Das für gut und schlecht befinden hängt natürlich auch viel von Laune und Konzentration ab. Regelmäßig male ich bahnbrechende und revolutionäre Bilder, die dann nach drei Tagen im Müll landen. Mein Künstlerkollege Michail Pirgelis hat ähnlich strenge Ansichten und von Ihm nehme ich gerne Einschätzungen an, zumal er mein künstlerisches Werk seit Beginn an kennt.
Lange Zeit hast Du dich an blauer Farbe abgearbeitet, zurzeit malst Du vermehrt mit rot. Wie verändert sich dein Verhältnis zu den Farben und Materialien während der Arbeit?
Ich arbeite mit einer schmalen Farbpalette. Es sind oft Farben, die ich bis dato nicht mochte. Es ist der Versuch, die Farbe so in das Bild einzubinden, dass ich damit leben kann. Mittlerweile mag ich die Farbe blau sogar. Ich verbinde mit weißer Farbe Unschuld und Reinheit. Außerdem ist weiß am neutralsten. Mit rot stehe ich noch auf Kriegsfuß.
F (Yes or let’s say no), 2013, acrylic, lacquer and paper on burlap, wood, 241 x 191 cm, Courtesy the artist
Wie bindest Du Musik in deine Ausstellungen ein, und welche Rolle spielt Musik bei deiner täglichen Arbeit?
Mich interessieren gerade Projekte, bei denen ich versuche, spezielle Musik und meine Kunst in einen Dialog zu bringen. Es ist eine fast ausweglose Situation, da zwei sehr komplexe Welten aufeinander krachen. Das macht aber auch den Reiz aus. Der DJ soll nicht nur begleitend und willkürlich bei der Eröffnung auflegen, sondern eigenständig seine Kunstform wiedergeben. Solche Projekte verstehe ich als einen Versuch und eine Spielwiese, auf der man ausprobieren, aber auch Scheitern kann.
Musik spielt eine wichtige Rolle bei meiner Arbeit. Sie ist es, die mich motiviert und ablenkt. So ein Tag im Atelier kann ja richtig beschissen sein. Da ist Musik eine stabile Konstante. Musik ist aber auch eine Hassliebe, weil ich mir früh eingestehen musste, dass die Malerei nicht annährend so stark, so schnell und so einfach Emotionen erzeugt. Es klingt pathetisch, was es auch sein soll, aber an erster Stelle steht für mich die Musik. Ich würde mich freuen, wenn man meine Arbeiten als musikalisch empfindet. Ansonsten schaue ich gerne Fernsehen.
Bei mir geht es in den Keller hoch, Blueproject Foundation, Barcelona, 2017, Courtesy the artist and Sprüth Magers
Vom ersten Gedanken, über das Hängen der Bilder, bis hin zu deiner Außendarstellung, begreifst du alles als Teil deines Werks. Ab welchem Moment muss man sich als bildender Künstler emotional von einem Bild trennen, und wie schwer fällt dir dieser Prozess?
Manchmal merke ich erst im Nachhinein, dass ich mich zu früh von Arbeiten getrennt habe. Besonders von Schlüsselwerken kann ich mich nur schwer lösen.
Du beschreibst dich selbst als romantischen und altmodischen Maler. Ist Nostalgie ein negativ besetzter Begriff für dich?
Nostalgie empfinde ich als etwas Schönes, ich schwelge gerne in Erinnerungen. Regelmäßig stehe ich mit meiner Staffelei am Rheinufer und male die Wale ab. Ein für mich negativ behafteter Begriff wäre beispielsweise „Post-Internet“.
Du arbeitest ausschließlich als Maler. Was macht die Malerei aus, dass sie dich nach wie vor so herausfordert?
Für mich fühlt es sich so an, als stünde ich erst am Anfang, es gibt noch eine Menge zu besprechen und abzuarbeiten. In diesem Leben hätte ich gar keine Zeit für andere Medien. Und im nächsten Leben wäre ich gerne ein Pferd.
David Ostrowski, Nothing Happened (with Michail Pirgelis), Sprüth Magers, Los Angeles, 2017.