As told to Julian Brimmers, 2893 words.
Tags: Art, Design, Collaboration, Focus, Business, Success, Avoiding burnout.
Illustrator Christoph Niemann über den Umgang mit Kunden
Als Designer erzählst Du schon dein ganzes Leben lang die Geschichten Anderer. Wann und wie hast du begonnen, dich deiner eigenen Geschichte zu widmen?
Der erste kleine Schritt in diese Richtung waren die Cover-Entwürfe für den New Yorker. Die beziehen sich ja nicht auf eine Story im Magazin, sondern stehen für sich. Cover-Ideen schlägt man vor, man wird nicht gefragt. Bei einer klassischen Illustration sagt einer, bitte mach eine Seite zum Thema Zinsentwicklung oder Online-Dating. Bei der Covergestaltung aber musst du als Geschichtenerzähler die Initiative ergreifen. Mit dem Umzug nach Berlin wollte ich bewusst meine Arbeit ändern. Zu dieser Zeit wurde ich von der New York Times gefragt, ob ich eine Kolumne machen will, „Abstract City“ beziehungsweise „Abstract Sunday“. Der Auftrag war nicht nur, das Ding zu zeichnen und zu schreiben, sondern tatsächlich die ganze Grundidee selber zu liefern. Das fand ich wahnsinnig schwierig, weil du eben alle Möglichkeiten hast. Der Deadline-Druck ist auch stressig, aber das ist ein Stress, mit dem ich gelernt habe umzugehen. Alle Freiheiten zu haben, war extrem verstörend.
@Christoph Niemann, 2018
Und das hat dich veranlasst, mehr aus der eigenen Lebenswelt zu schöpfen?
Ja, fast schon aus Notwehr. Plötzlich hast du so einen Auftrag und fragst dich, worüber soll ich denn jetzt schreiben? Gerade wenn du es gewohnt bist, dass die Themen die große Politik, Wirtschaft und soziale Umwälzungen sind. Dann guckst du dir dein eigenes Leben an und denkst, was mache ich? Ich bringe morgens die Kinder in die Schule, arbeite, trinke Kaffee und kann schlecht schlafen. Mich darauf zu verlassen, dass meine Lebenserfahrungen so ähnlich mit denen der Leser sind, dass da eine Verbindung entsteht, das war ein langer Weg. Und auch etwas beängstigend.
Wie viel Bezug hast du noch zu New York?
Ich arbeite dort viel, aber mein Leben findet absolut hier in Berlin statt.
@Christoph Niemann, 2018
Hat es sich speziell angefühlt, die ersten großen Erfolge nach dem Studium mit amerikanischen Medien zu erzielen?
Auf jeden Fall. Es ist natürlich viel Zeit vergangen, da überlappen eine persönliche und eine Medienentwicklung. Aber meine Entwicklung hatte schon etwas mit New York als Medienstadt zu tun, und mit Referenzen, die einem eine gewisse Glaubwürdigkeit verleihen. Auch wenn ein wie auch immer gearteter Erfolg wenig an der Realität deiner Arbeit ändert, so schafft er doch Vertrauen. Ob bei angewandten oder freien Arbeiten – die allerwichtigste Währung ist das Vertrauen, das die Leute dir entgegenbringen. Dieses Vertrauen musst du dir erarbeiten. Dafür musst du in irgendeiner Form präsent sein. Dazu muss man sagen, dass ich kaum amerikanische Publikationen kenne, in denen die Bildtitel unten rechts an der Bildseite kleben. Zumeist werden die sehr prominent dargestellt, man ist stolz auf seine Bilder. In manchen deutschen Publikationen musst du lange suchen, bis du einen Bild-Credit findest. Die Wahrnehmung ist eine andere. Wenn Du in Amerika nach einem bekannten Illustrator oder Cartoonisten fragst, dann wissen die, wer Barry Blitt oder Chris Ware ist. Ich weiß nicht, ob das in Deutschland auch so ist. Nicht, weil die Deutschen keine Grafik mögen, oder weniger intelligent sind. Aber wenn mir die Namen nie über den Weg laufen, woher soll ich die denn kennen? Das gilt natürlich nicht für alle, beim Süddeutsche Magazin oder dem Zeit Magazin wird der visuelle Aspekt genauso deutlich und enthusiastisch mit Credit versehen wie der Sprachaspekt. Die Idee sollte sein: Wenn ich cool bin und mit dir arbeite, bist du natürlich auch cool. Sonst würden wir das ja nicht gemeinsam machen. Dieses Wechselseitige habe ich immer als sehr inspirierend empfunden.
@Christoph Niemann, 2018
Kontrolle und Sichtbarkeit sind zwei Themen, die ich mit dir besprechen wollte. Im eigenen Buch und in Vorträgen kann man das Erzählte ja gut kontrollieren, in Interviews bis zu einem gewissen Grad auch. Inwieweit war die Netflix-Doku denn nicht nur ein Film über dich, sondern auch ein Film von dir?
Ich habe mich davor sehr lange mit dem Regisseur, Morgan Neville, unterhalten. Oft kommen Redakteure mit einer vorgefertigten Annahme - der tickt so oder so - und dann wird der ganze Dreh dementsprechend. In dem Fall hatte ich die Möglichkeit, mich zu erklären. Dass zum Beispiel diese Sunday Sketches nichts mit Spontanität zu tun haben. Dass es mir bei den Geschichten über mein Leben nicht um mein Leben geht, sondern um eine Beschreibung einer hoffentlich mit den Lesern geteilten Wahrheit. Ich setze mich als Protagonist bloß als Erzählwerkzeug mit rein. “Ich erzähl euch mal was meine Kinder gestern Putziges gesagt haben”, das ist doch das Allerlangweiligste. Erst wenn der Charakter eine Projektionsfläche für deine eigenen Erfahrungen wird, kann es interessant werden.
Das erinnert mich an eine Passage in Scott McClouds “Understanding Comics”. Dort spricht McCloud über das Phänomen, menschliche Gesichter in allem–Türen, Steckdosen, etc.–zu erkennen. Charlie Brown wäre demnach das perfekte Abstraktionslevel im Comic, weil die Köpfe fast nicht mehr sind, als ein Kreis mit Punkten. Die größtmögliche universelle Projektionsfläche.
Genau, und wenn man einen Schritt zu weit abstrahiert, wird es obskur. Das gilt für jede Form von Abstraktion. Ein Beispiel: Wenn du die „Herr der Ringe“-Filme anschaust, brauchst du eigentlich kein Vorwissen, rein formell betrachtet. Alle Charaktere werden auf der Leinwand erschaffen. Dein Leben hat nichts mit Zwergen und Drachen zu tun, all dies passiert praktisch auf einer Einbahnstraße in deinen Kopf. Abgesehen von Dingen wie Angst, Sorge und Empathie hat der Film mit deiner Lebenserfahrung nichts zu tun. Ein abstrakter Comic wie Charlie Brown hingegen funktioniert nur, wenn du selber Kindheitserfahrungen hast. Der Schmerz und die Geschichte leben schon in dir und werden aus der Versenkung geholt. Auch ein Psychiater bringt die Geschichten vermeintlich aus dir heraus - dabei musst du sie eigentlich liefern. Dadurch ist man emotional mehr gefordert, als bei der großen Oper von, zum Beispiel, den „Herr der Ringe“-Filmen.
Mit deinem New Yorker-Kollegen Hua Hsu habe ich zuletzt über die Fanzines seiner Jugend gesprochen. Er meinte, jeder Beitrag im Netz sei Content, der darauf hofft, viral zu gehen, während man…
… früher einfach in den Äther reingeschrieben hat, genau. Selbst wenn man einen Artikel in der New York Times hatte, bekam man vielleicht zwei Leserbriefe. Man wusste gar nicht, für wen man das macht. Du hast es im Endeffekt für deinen Redakteur gemacht. Und wenn die dich wieder angerufen haben, war es wohl auch nicht ganz furchtbar. Aber mittlerweile sieht man genau, dieser Beitrag war 23.7% mal so erfolgreich wie jener. Dieses Reach-Denken und diese furchtbaren Sachen… das ist eigentlich nicht gut. Nicht eigentlich, es ist garantiert nicht gut.
Aber wenn es nicht positive Aspekte oder Emotionen auslösen würde, wären wir ja nicht ständig auf allen Social Media Kanälen.
Ich bin eh der Letzte, der sich darüber aufregen kann. Mir hat das soviel Gutes bereitet. Der tollste Aspekt am Internet und der ganzen Instagram/Twitter-Welt ist doch, dass sich zeigt, dass die generelle Bevölkerung viel smarter ist, als man früher gedacht hat. Wenn Du dir die Meme-Kultur anguckst – ob das jetzt große Kunst ist, sei mal dahingestellt – dann zeigt sich, dass die Leute subtile Bild-Text Scheren total verstehen und damit spielen können. Im redaktionellen Meeting käme man mit diesen kleinen Twists niemals durch. Sobald es zum Thema Bild kam, hieß es früher “woah, nee, nee, wir nehmen den Mann mit der Aktentasche und am besten schreibst du mit Labels noch drauf, was hier gerade passiert”. Die visuelle Welt ist heute wesentlich interessanter als noch vor zwanzig Jahren. Auch im Massenbereich.
Würdest Du sagen, dass Leute wegen einer bestimmten Stilistik auf dich zukommen?
Von Anfang an war es mein großes Glück, dass meine Mappe keinen festen grafischen Stil beinhaltete. Da war von der Pixelzeichnung über die Vektorgrafik bis zur Handzeichnung alles drin. Mein Ding war immer die Idee an sich. Wenn jemand mit einer festen Idee kommt, ist sowieso das Gespräch beendet. Nicht, weil ich denke, die Ideen sind so schlecht, aber wenn ihr schon wisst, was ihr machen wollt, dann gibt es Leute, die das besser ausführen können. Die Reputation, mit der ich an Aufträge kam, war: wenn wir NICHT wissen, was wir machen wollen, dann rufen wir den an. Ich war so ein bisschen die Feuerwehr. Eigenständig, schnell und lesbar auf eine Idee zu kommen und diese auszuführen war eher mein Markenzeichen, als ein bestimmter visueller Stil. Es kommt niemand zu mir und sagt, ich hätte gerne einen Dinosaurier mit Kühlschrankkopf und der frisst eine Mikrowelle auf, zeichne das mal in deinem Stil.
@Christoph Niemann, 2018
Das war jetzt fast zu detailliert, als dass das noch nie gefragt worden wäre…
{lacht} Nein, das habe ich mir grad ausgedacht. Jedenfalls fragen Leute eher nach irgendeiner Idee zum Thema Stromverbrauch von Haushaltsgeräten. Ich bin also derjenige, der sagt, warum machen wir nicht den Dinosaurier mit Kühlschrankkopf.
Wie erlernt und lehrt man diese Fähigkeit denn? Oder ist das dann wirklich Talent?
Nein, das ist zum allergrößten Teil Handwerk. Es ist die Trennung der eigenen künstlerischen Eitelkeit von der Beurteilung des Werks. Das ist natürlich total schwer. Die Frage funktioniert oder funktioniert es nicht, das ist fast schon ein binäres Konzept. Null oder eins. Aber das meint nicht “bin ich ein guter Künstler oder ein schlechter Künstler”. Es ist eher wie bei einem Basketballspiel, das man mit vier Punkten verloren hat. Wo kann man diese vier Punkte noch rausholen? Dafür gibt es Methoden, das hat mit Abstraktion und Realismus zu tun. Mit Lesbarkeit. Eine der wichtigsten Übungen während des Studiums war, eine Serie zu zeichnen und die Kommilitonen zu fragen, was siehst du hier überhaupt?
@Christoph Niemann, 2018
Wie läuft dieses Rantasten an eine funktionale Idee konkret ab?
Jede Überraschung lebt von einem Set-up. Sagen wir, jemand geht mit einem Regenschirm die Straße runter und aus irgendeinem Grund kommen anstatt Regentropfen Nullen und Einsen vom Himmel. “Datenflut”, keine Ahnung {lacht}. Jetzt muss ich diese Figur so zeichnen, dass ganz klar ist, hier läuft nicht Kate Moss, sondern irgendjemand. Bloß ein Mensch, nur ein Regenschirm, ein ganz normaler regnerischer Tag. Die Figur darf auch nicht lustig oder traurig aussehen. Das ist gar nicht leicht, jemanden so zu zeichnen.
Als Universalcharakter?
Genau, als Universalcharakter. Sagen wir nun, aus irgendeinem Grund fallen da kleine Herzen vom Himmel. Die Figur soll verzweifelt sein, aber das Bild suggeriert, es gibt noch Hoffnung. Es soll noch keine besondere Person sein, aber sie muss einen Tacken Charakter haben. Man muss Empathie aufbauen können. Dazu muss ich die Temperatur dieses Universalcharakters minimal aufdrehen. Ein bisschen mehr Menschlichkeit, auf die ich meine Emotionen projizieren kann. Und in einem dritten Fall soll ich auf einmal George Clooney zeichnen, wie er die Straße im Regen hinabläuft. Genau diese Bandbreite – von komplett abstrakter Figur bis zu ganz konkret – solltest du idealerweise draufhaben. Wenn du eine Geschichte machst, ist es wie beim Redigieren von Texten. Mache ich das Adjektiv rein oder raus? Es geht immer um die Frage, wie funktioniert der Satz besser, wie kriege ich den Leser von A nach B? Wenn ich ihn ertränke in Beschreibungen, verliere ich die Story. Wenn ich zu knapp bin, entsteht keine emotionale Verbindung. Alles was ich hinzufüge oder wegnehme, erfolgt gemäß der Frage, was passiert dadurch kommunikativ? Und das kann man tatsächlich üben wie ein Musikinstrument.
@Christoph Niemann, 2018
Ist es wichtig, dass eine Werteähnlichkeit zwischen Dir und dem Medium besteht, für das du arbeitest?
Also, idealerweise schon. Aber gleichzeitig denke ich, dass man in der Bandbreite, in der ich und die meisten Designer arbeiten, eben bestimmte Dinge hat, die man gut kann. Wenn Du ein Font-Designer bist, weißt du wie man eine gute, bildschirm-basierte Schrift macht. Was dann in dieser Schrift geschrieben wird, ist die andere Sache. Wenn jemand kommt und sagt, wir brauchen eine Zeichnung zum Thema Kundendienst, dann kann ich das auf eine empathische, nette Art umsetzen. Aber ob das dem Produkt, oder der Philosophie, die wirklich hinter dem Unternehmen steht, entspricht, ist nochmal eine andere Frage. Ich habe den Luxus, mir das genau anschauen und raussuchen zu können. Aber viel wichtiger ist, dass die Kommunikation mit den Leuten stimmt, mit denen du direkt arbeitest. Oft redet man ja verbal über eine non-verbale Geschichte. Wenn du keine gute Kommunikations-Ebene hast, ist es sehr schwer, eine gute Idee rüberzubringen. Oder, auf der anderen Seite, eine berechtigte Kritik zu formulieren. Dabei ist es ganz wichtig, eine ähnliche Sprache und ein ähnliches Wertesystem zu haben. Wenn wir uns darüber streiten, ob das Bild gut oder nicht gut ist, und du eine komplett andere Vorstellung von “gut” hast, dann haben wir ein Problem. Egal, ob wir beide das Gefühl haben, für das tollste Produkt oder den tollsten Artikel zu arbeiten.
@Christoph Niemann, 2018
Du sprichst von der Notwendigkeit, sein eigener, strenger Editor zu sein.
Ja, aber auch wenn du deine eigenen Sachen machst, brauchst du Leute, die dir helfen. Ich sehe Art Direktoren, Redakteure und Kuratoren generell als Leute, die wahnsinnig hilfreich sind. Klar, das Klischee des Redakteurs, der dir die tolle Idee absägt, weil er denkt, dass die Leser nicht bereit dafür sind, das gibt es. Aber grundsätzlich sind da einfach Leute, die dir helfen können, die den Blick von Außen haben. Auch bei freien Arbeiten bin ich absolut abhängig von diesem zweiten Satz Augen.
Nochmal zum Handwerk zurück. In deiner Arbeit geht es häufig um zwei verschiedene Konzepte von Ungemach. Einer deiner bekannteren Comics erklärt anhand eines glücklichen und eines unglücklichen Emojis diesen Arbeitsprozess. Das ist aber nicht das gleiche, wie der Glaube, man müsse leiden, um Kunst zu schaffen, oder?
Nein, das ist nicht das gleiche. Da habe ich auch wirklich meinen Ansatz über die Jahre geändert. Nehmen wir an, eine Ballerina schwebt wie eine Schneeflocke über die Bühne. Wenn ich auch Ballerina werden möchte, dann wäre es ein großer Fehler zu denken, ich müsste mich dafür wie eine Schneeflocke fühlen. Stattdessen muss ich in den Kraftraum gehen und ordentlich schwitzen. Dieses Gefühl auf die Bühne zu bringen, ist dann eine Frage der höchsten Konzentration und körperlichen Spannung. Wenn das Ziel deiner Arbeit eine gewisse intellektuelle Leichtigkeit ist, dann geht das nur über harte redaktionelle Entscheidungen. Manche Zeichnung macht man 20 Mal, damit sie aussieht, als wäre sie in fünf Sekunden passiert. Die Grundhaltung ist hierbei eine der Anspannung. Das Resultat dieses Buchs war: Anspannung ist gut, aber dieses grauenhafte “die Welt geht unter”-Gefühl behindert die Arbeit. Beim Sport läuft niemand grinsend über den Fußballplatz und gewinnt ein Spiel, da muss man im Kampfmodus sein. Aber andererseits, wenn du die ganze Zeit denkst, ich verliere, oh Gott, was passiert, kannst du auch nicht spielen. Man muss so viel Routine entwickeln, dass man den Kopf frei kriegt und eine grundgute Laune mitbringt. Das hat aber nichts mit “Oh, I’m having such a great time” zu tun.
@Christoph Niemann, 2018
Spontanität, Leichtigkeit, das sind ja Effekte, die viele Leute bei deinen Arbeiten wahrnehmen. Dabei ist der Schaffensprozess eine Dauerschleife aus Ausprobieren, Konzepte entwickeln und immer wieder überarbeiten?
Ich denke, genau dieser Kontrast ist die Grundleidensquelle für alle in irgendeiner Form Kreativschaffenden. Das Verrückte ist, ich habe ein Buch darüber geschrieben und es passiert mir trotzdem immer noch. Das ist wie Kinder kriegen, oder an einen anderen Ort ziehen – nach einer Weile vergisst du, wie anstrengend es war. Du guckst dir deine eigenen Arbeiten an, bei denen du genau weißt, wie mühsam und quälend die waren. Aber nach einer Weile kriegen fertige Dinge eine Autorität. Die stehen dann monolithisch und perfekt da, und du siehst das Unperfekte vor dir und denkst, “ach, letztes Jahr hatte ich es noch drauf”. Aber wenn du scharf nachdenkst, weißt du, du hast damals genau so verzweifelt vor dem Blatt gesessen, ohne Ahnung, wohin die Reise geht. Alles was bleibt, ist das Resultat. Das steht dann so selbstbewusst da und strahlt dich an. Da ist relativ leicht dran zu verzweifeln.
@Christoph Niemann, 2018
Man könnte andersrum auch fragen: Cover für den New Yorker und die New York Times, Veröffentlichungen in allen großen Publikationen, Ausstellungen, eigene Bücher… was für eine Art von Bestätigung bräuchte es denn, um diese Zweifel zu beseitigen?
Das ist ein weiterer Grundfluch, der sich nicht lösen lässt. Stell dir vor, du bist Arzt. Du bist Profi für schwierige Operationen, machst 500, sogar 1000. Alle sind glücklich, wenn du diese eine Sache perfekt machst. Wenn du Fußballer bist, und jeden Elfmeter reinkickst – happy days! Wenn du in unserer Welt aber den perfekten Elfmeter schießt, darfst du den nie wieder so schießen. Wenn du einen Roman geschrieben hast, muss der nächste ganz anders sein. Wenn der neue nur annähernd ähnlich ist, sagt man, du hast keine Ideen mehr. Das Tolle ist, wir dürfen ständig etwas Neues machen. Der Fluch ist, wir müssen ständig etwas Neues machen {lacht}.
@Christoph Niemann, 2018
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